"Sachlichkeit - Nüchternheit"

(Gerhard Uhlig)

Das Frühwerk von Gerhard Uhlig

Stilistisch lässt sich die Kunst von Gerhard Uhlig keinem einzelnen spezifischen kunsthistorischen Stil zuordnen. Ähnlich Pablo Picasso oder Gerhard Richter experimentierte Gerhard Uhlig zeitlebens mit unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Unter seinen früheren Arbeiten finden sich zum Beispiel Landschafts- oder figurative Abbildungen. Letztere zeigen punktuell Ähnlichkeiten zu Arbeiten seiner damaligen Akademielehrer Josef Hegenbarth und Max Schwimmer. Zeitgleich beschäftigte sich Gerhard Uhlig jedoch ebenfalls mit der damals noch nicht akzeptierten abstrakten Kunst. So finden sich Arbeiten mit stilistischem Bezug zum Kubismus oder Pointillismus oder in wenigen Einzelfällen Ähnlichkeiten zu Arbeiten von Pablo Picasso, Marc Chagall, Fernand Léger oder Oskar Schlemmer. Gerhard Uhlig zeigte jedoch bereits in seinem Frühwerk eigene Gestaltbildungen und Kompositionen, die eine besondere Typik aufweisen, und durch die Heterogenität der Gestaltmittel als auch durch den für Gerhard Uhlig bereits damals spezifischen Zeichen- und Malduktus imponieren. 

1950. Bleistiftzeichnung von Gerhard Uhlig. opyright.
Gerhard Uhlig, 1950, Bleistiftzeichnung. ©
1951, Tuschezeichnung von Gerhard Uhlig, opyright.
Gerhard Uhlig, 1951, Tuschezeichnung. ©
1953. Tuschezeichnung von Gerhard Uhlig.
Gerhard Uhlig, 1953, Tuschezeichnung. ©

Die Zeit bei Willi Baumeister

Ab den späten 50er Jahren studierte Gerhard Uhlig in Stuttgart bei Willi Baumeister, der damals aufgrund seiner neuen abstrakten Ausdrucksweise einerseits umstritten war, dessen Arbeiten andererseits jedoch bereits in namhaften Museen des Westens mit großen Ausstellungen gewürdigt wurden. 

Willi Baumeister war einer der wichtigsten Wegbereiter der Modernen Kunst nach 1945. Seine Lehre beeinflusste Gerhard Uhlig wesentlich (aus einem Brief an Wolfgang Kermer vom 22. April 1986, zitiert nach Wolfgang Kermer 1992, S. 182f). Dies ist an Einzelarbeiten aus dieser Epoche erkennbar. Gleichwohl entwickelte Gerhard Uhlig auch hier rasch eine sich von seiner Lehre emanzipierende Ausdrucksform.

Bleistiftzeichnung von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1955. Abgebildet sind abstrahierend dargestellte Personen. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1955, Bleistiftzeichnung. ©
Abstraktes Ölgemälde von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1955. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1955, Öl auf Hartfaser. ©
Abstrakte Tuschezeichung von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1958. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1958. Tuschezeichnung. ©

Die Kunst von Gerhard Uhlig in den 60er und 70er Jahren

Seit  den späteren 60er Jahren findet ein deutlicher Wandel in der Ausdrucksprache von Gerhard Uhlig statt. Seine Arbeiten, Öl auf Hartfaser, wurden formal grösser und erinnern auf den ersten Blick an den Konstruktivismus, entfernt auch an Bilder von Wassily Kandinsky. Die Arbeiten sind nun sehr farbdominant und wirken durch die Farbwahl und die Anordnung der Formen expressiv. Gleichzeitig vermittelt die jeweilige Bildkomposition den Eindruck eines gestalterisch präzise konzipierten Aufbaus. 

Konstruktivistisches Ölgemälde von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1957. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1957. Öl auf Hartfaser. ©
Konstruktivistisch anmutendes farbiges Ölgemälde von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1957. Copyright.
Gerhard Uhlig 1957, Öl auf Hartfaser. ©
Farbiges Ölgemälde von Gerhard Uhlig, erarbeitet 1959 als Wandbild für die Realschule Wiesestraße, Herford, dort zerstört und von Gerhard Uhlig neu in den Originalmassen auf Hartfaser angefertigt 1991. Copyright.
Gerhard Uhlig ,1959/1991 Öl auf Hartfaser. ©

Dieser gestalterisch präzise konzipierte Aufbau der Bilder mag die Verbindung zu zwei neuen Werkserien gewesen sein. 

Die Grafik der 70er Jahre

Hierbei handelt es sich um Sieb- und Prägedrucke mit zentralen Collageelementen. Die Grafiken weisen Kreiselemente auf, die in einem für den Betrachter in Summe schwer nachvollziehbaren Regelungskanon angeordnet sind. Ihre Lineaturen wirken einerseits regelmäßig angeordnet, andererseits scheinbar unregelmäßig begrenzt. Hauptsächlich scharz-weisse Formen sind mit roten Lineaturen ergänzt. Dadurch entsteht beim Betrachter der Eindruck, als würden sich die bildimmanenten Formen bewegen. Formal können diese Arbeiten am ehesten einem damalig neuen Kunststil,  der sogenannten OP-ART, zugeordnet werden.

Siebdruck von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1965 mit schwarz-weissen, blendenartig nach zentral angeordneten Formen und einem weiss-schwarz-roten Zentrum. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1965, Siebdruck. ©
Siebdruck auf weißem Grund mit drei roten zentralen Kreisen von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1965. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1965, Siebdruck. ©
1966, Siebdruck mit vier zentralen roten Kreisen von Gerhard Uhlig. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1966, Siebdruck. ©

Ähnliche Gestaltungsmerkmale hat Gerhard Uhlig zeitgleich in einer numerisch grossen Serie von filigran anmutenden Tuschezeichnungen mit meistenteils zentralen Collageelementen genutzt. Auch hier finden sich wesentlich Kreiselemente innerhalb der bildnerischen Gesamtkompositionen. Die Lineaturen sind jedoch mit typischerweise nur minimalem Zwischenraum aneinandergrenzend und sehr gleichmässig angeordnet. Für den Betrachter wirken die Arbeiten wie maschinell angefertigt, wie von einem Computer ausgedruckt. Tatsächlich sind sie aber manuell, von Hand, mit feiner Tusche gezeichnet. Dabei sind die Aneinanderreihungen der Lineaturen so eng gesetzt, dass die visuelle Auflösungsfähigkeit des Betrachters bei normalem Betrachtungsabstand überfordert wird und sich in der visuellen Wahrnehmung kein statisches Bild, sondern scheinbar dynamische Muster ergeben. Diese Arbeiten imponieren durch ihre ausserordentlich präzise, kompositorisch nahezu unergründbare und manuell praktisch nicht nachvollziehbare Erarbeitung und sind am ehesten der  Konkreten Kunst aber auch der OP-ART zuzuordnen.  

Kreisrunde Tuschezeichnung mit Collageelement von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1964. Die changierend eng beieinanderliegenden Tuschelinien simulieren durch Interferenz bei Betrachtung Bewegungsmuster. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1964, Tusche, Collage. ©
Geometrisch-konstruktivistisch anmutende Tuschezeichnung und Collage aus Kreis- und Halbkreisformationen von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1966. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1966, Tusche, Collage. ©
Konstruktivistisch anmutende Tuschezeichnung mit Collageelementen von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1967. Die changierend eng beieinanderliegenden Tuschelinien simulieren durch Interferenz bei Betrachtung Bewegungsmuster. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1967, Tusche, Collage. ©

Das künstlerische Spätwerk von Gerhard Uhlig

In den folgenden Jahrzehnten beziehen sich die Bildmotive häufig wieder auf landschaftliche und figurative Objekte. Insofern setzen sich  diese Arbeiten scheinbar von den vorhergegangenen Werkphasen ab. Allerdings sind auch ihre Bildmotive mehr oder weniger, teilweise bis in das unkenntlich Abbildhafte verfremdet. Damit treten die Formen und Farben, ihre Helligkeiten und Kontraste sowie ihre formalen Bezüge zueinander in den Betrachtungsfokus und bestimmen wesentlich die Bildwirkung.

Farbaquarell von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1989. Abgebildet ist ein Fischerdorf, bestehend aus drei Fischerhütten, zwei Schiffen und einer Person im Vordergrund, sämtlich abstrahierend in expressiven Farben. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1989, Aquarell. ©
Farbaquarell von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1990. Abgebildet ist ein Küstenort mit Schiffen und Fischerhäuschen, die abstrahierend, teils linear, teils flächig dargestellt sind. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1990, Aquarell. ©
Farbaquarell von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 1991. Abgebildet ist ein Küstenort mit Fischerbooten und einer strahlenden Sonne am Himmel. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1991, Aquarell. ©
Abstrahierende Bleistiftzeichnung von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 2005. Abgebildet sind teilweise noch als an Personen erinnernde schwarz-weiss-Formen. Copyright.
Gerhard Uhlig, 2005, Bleistiftzeichnung. ©
Abstrahierende Bleistiftzeichnung von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 2005. Abgebildet sind schwarz-weiss-Formen die im rechten Bildteil an eine nach links schauende Person erinnern. Copyright.
Gerhard Uhlig, 2005, Bleistiftzeichnung. ©
Abstrahierende Bleistiftzeichnung von Gerhard Uhlig aus dem Jahr 2006. Abgebildet sihc schwar-weiss-Formen, die teilweise an eine Landschaft sowie darin befindliche Personen erinnern. Copyright.
Gerhard Uhlig, 2006, Bleistiftzeichnung. ©

Die Fotografie und Fotogestaltung von Gerhard Uhlig

Die Fotografie ist von Gerhard Uhlig stets als Teil der Gestaltung und damit der Kunsterziehung und Kunst angesehen worden. Entsprechend hatte er als einer der ersten in Deutschland bereits in den 60er Jahren an weiterführenden Schulen Fotolabore und Fotogruppen eingerichtet. Seine eigenen Fotoarbeiten umfassen tausende Exponate. Es handelt sich dabei um Kleinbild- und Mittelformatnegative und um Diapositive sowie farbige oder schwarz-weisse Papierabzüge. Diese Arbeiten werden aktuell dem digitalen Archiv hinzugefügt. Desweiteren besteht ebenfalls ein enormes Konvolut an digitalen Fotografien, da sich Gerhard Uhlig bereits um 2003 den damals neuen digitalen Aufnahmeprozessen zugewandt hatte.

Schwarz-weiss-Foto von Gerhard Uhlig, Paris 1958. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1958, Paris. ©
Schwarz-weiss-Foto der Stadt Herford im Winter, 1958. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1958, Herford. ©
Schwarz-weiss-Foto von Gerhard Uhlig, 1973. Copyright.
Gerhard Uhlig, 1973, Münsterland. ©

Die Kunstdidaktik und Kunsttheorie von Gerhard Uhlig

Seit Beginn seiner beruflichen Tätigkeiten als Kunstlehrer an verschiedenen weiterführenden Schulen hat Gerhard Uhlig zu der Entwicklung der Bildempfindung und -sprache von heranwachsenden Kindern und Erwachsenen Stellung bezogen. Dabei spielten stets die Aspekte der Sinneswahrnehmung, -entwicklung und -förderung sowie der Bildrezeption und -perzeption eine wichtige Rolle. Diese Auseinandersetzungen finden sich nicht nur in seinen handschriftlichen kunsttheoretischen und kunstpädagogischen Erörterungen, sondern fanden ebenfalls Eingang in die Fachliteratur. 

Soweit erhalten und zugänglich wurden diese kunsttheoretischen und kunstdidaktischen Erarbeitungen, ferner Gestaltungsanleitungen aber auch Überlegungen zur Bildkonzeption, -erarbeitung und -rezeption dem Archiv in digitaler Form zugefügt. Ebenso  wurden Daten zu seinem beruflichen Lebenslauf dokumentiert, sowie Filme und Publikationen zu seinem beruflichen Einfluss, seinen bildnerischen Arbeiten oder Ausstellungen seiner Werke.

Foto: Abgebildet sind Gerhard Uhlig (zweiter von links) im Gespräch mit dem vor der Staffelei sitzenden Willi Baumeister (dritter von links) in der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart im Jahr 1950 sowie weitere damalige Studenten. Copyright.
1950 Gerhard Uhlig (zweiter von links) im Gespräch mit Willi Baumeister (sitzend vor der Staffelei), ©.
Anmerkungen von Gerhard Uhlig zur Bildkomposition aus dem Jahr 1950. Copyright Archiv Gerhard Uhlig.
1950, Gerhard Uhlig zur Bildkomposition, © Archiv Gerhard Uhlig.
Flächenedition von Gerhard Uhlig des Bildes Maria auf der Erdbeerbank. Copyright Archiv Gerhard Uhlig.
Flächenenedition von Gerhard Uhlig, ausgeführt an einem Bild von Stefan Lochner (* um 1410, †1451). © Archiv Gerhard Uhlig.
Gerhard Uhlig vor einer seiner Arbeit im Jahr 2011
Gerhard Uhlig im Jahr 2011 vor einer seiner Arbeiten. ©

Schülerarbeiten aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig

Es existiert ein Konvolut von Schülerarbeiten, die im Unterricht von Gerhard Uhlig nach dessen Gestaltungslehre ausgeführt wurden. Dabei handelt es sich um malerische Arbeiten, Skizzen, Grafiken, Collagen und Protokolle von Schülern im Alter 10 bis 20 Jahre. Die Arbeiten sind für ihre Zeit gestalterisch ausgesprochen innovativ. So finden sich ähnliche Gestaltmuster bei namhaften nationalen und internationalen Künstlern, zum Teil jedoch erst deutlich später als die entstandenen Unterrichtsarbeiten. Dies ist umso bedeutender, weil es sich bei den Schülerarbeiten nicht um Kopien oder Imitationen des damaligen oder zurückliegenden Kunstmarktes handelt, sondern um eigene Erarbeitungen nach den  Gestaltungsanleitungen von Gerhard Uhlig.

/ Die Schüler, welche die abgebildeten Arbeiten ausgeführt haben, sind namentlich nicht bekannt oder ihre aktuelle Adresse ist aufgrund von Datenschutzbestimmungen nicht auffindbar. Das Archiv ist an Kontakt zu ehemaligen Schülern sehr interessiert, sei es, um ihnen auf Wunsch noch erhaltene Arbeiten wieder auszuhändigen oder um ihre Namen an den Arbeiten nach ihrem Ermessen erkennbar zu machen, da das Urheberrecht bei den Schülern liegt. Ein Teil dieser Schülerarbeiten ist bereits in den 70er und 80er Jahren in Fachliteratur publiziert oder öffentlich ausgestellt worden, z.B. in Den Haag, in Dortmund, Recklinghausen oder in Münster. Die damit verbundene Kunstlehre und damit einhergehend die resultierenden Schülerarbeiten sind auch heute noch gesellschaftspädagogisch relevant und sehr innovativ. Daher strebt das  Archiv weitere Veröffentlichungen an. Die Ausrichtung dieser Veröffentlichungen ist prinzipiell  nicht kommerziell, sondern rein bildungsorientiert ausgerichtet. Erste Gespräche mit einem großen Kunstmuseum in Baden Würtemberg, das Interesse an einer Ausstellung dieser Schülerarbeiten hat, wurden aufgenommen. /

Das Archiv hofft auch auf aktive Kontaktaufnahmen durch ehemalige Schüler, um zusätzliche Informationen über den Unterricht in die weitere Aufarbeitung einbringen zu können. Eine Kontaktaufnahme ist über die Mailadresse archiv(at)gerhard-uhlig.de möglich. 

Arbeit aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig im Jahr 1961 von einem 10-jährigen Schüler. Copyright.
1961, Schülerarbeit, 10 Jahre, ©.
Arbeit aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig im Jahr 1961 von einem 13-jährigen Schüler. Copyright.
1961, Schülerarbeit, 13 Jahre, ©.
Arbeit aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig im Jahr 1963 von einem 19-jährigen Schüler. Copyright.
1963, Schülerarbeit, 19 Jahre, ©.
Arbeit aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig im Jahr 1962 von einem 20-jährigen Schüler. Copyright.
1962, Schülerarbeit, 20 Jahre, ©.
Arbeit aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig im Jahr 1963 von einem 12-jährigen Schüler. Copyright.
1963, Schülerarbeit, 12 Jahre, ©.
Arbeit aus dem Kunstunterricht von Gerhard Uhlig im Jahr 1963 von einem 17-jährigen Schüler. Copyright.
1963, Schülerarbeit, 17 Jahre, ©.